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Alt 06.02.2004, 18:44   #1
Piktogramma
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Meine 80er

Ich in den 80ern: Armeeparka, Tasche mit Aufschrift „Jute statt Plastik“, Jeans, auf die mit Kuli „Make love not war“ geschrieben wurde, Wildlederboots mit Buttons „Atomkraft nein danke“ und „Auf die Dauer hilft nur Power“. Unter der Armeejacke trage ich ein weites Fischerhemd und eine selbstgestrickte Weste aus handgesponnener Wolle, dazu einen geblümten Bauernrock.
Nachmittags arbeite ich ehrenamtlich im sogenannten „Dritte Welt Laden“. Kaffee aus Nicaragua, Tee aus Tansania, Umweltschutzpapier und viele Diskussionen. Die Bioläden heißen „Ringelblume“ und „Brennessel“ und haben ungefähr 50 Waren, keine Milch, keine Schokolade, kein Tofuzeugs und keine Essigflaschen für 25 Mark. Sie verkaufen in erster Linie Getreide, Brot und Windelhosen zum Selberstricken.
In der Schule bekomme ich einen sogenannten Verweis, weil ich samstags blaumache und nach Bonn zur Demo fahre.
Unglaublich, wenn ich daran zurück denke, wie es war Anfang der 80er Jugendliche/r zu sein. Irgendwie schwebte diese AKW-Atomwaffen-Bedrohung so derartig über einem, daß man sich überhaupt nicht traute, etwas zu tun, was Spaß machte. Man war so überaus engagiert.
Und dann teilweise auch radikal: Mercedessterne abknicken, Frauenzeichen auf Häuserwände sprühen, sexistische Werbung mit „Schnipp-schnapp Schwanz ab“ übermalen, bloß nie werden wie die Alten: die da satt und spießig ihrem Untergang entgegen sahen. „Wir wollen Sonne und nicht Reagan....“ Und immer brav politsch korrekt bleiben: Keine Cape-Früchte, da hängt Blut dran; Grün wählen, die einzige Alternative; auf Demos gehen, Schweigen für den Frieden, Fasten für das Leben, einen Brunnen für ein Dorf in Bolivien sponsoren. Und Interrail.
Und das Schlimmste: die Musik der 80er: Erst die Disco-Mucke, dann Modern Talking und andere Entgleisungen. Und zwischendurch BAP und Bots („Alle, die noch nicht nach Deospray stinken, sollen aufstehen.“). Ich weiß auch nicht.
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Alt 06.02.2004, 19:38   #2
Spleen
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Auch gut getroffen! Da sieht man ein bisschen, wo das antiautoritäre Elternhaus hingefüphrt hat! ;) Ich war da gemäßigter. Aber unsere Trash-Riege hier scheint sowieso in erster Linie genusskapitalistisch ausgelegt zu sein. Ich fand diese Frusterei wegen Atomkraft und Umweltkathastrophe und Natodoppelbeschluss so frustig, dass ich schon eher gegen diese Deproleute rebellieren wollte.
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Alt 07.02.2004, 01:46   #3
Johnny Harms
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Bots:
Ich habe immer vermisst:
Alle, die morgens gern länger liegen bleiben, sollen aufsteht!

Tschüss bis morgen Mittag

Johnny
__________________
Ich wäre so gerne ein Macho,
aber mein Frau erlaubt es nicht.
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Alt 07.02.2004, 19:51   #4
Spleen
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Aufsteht? Ist das simulierte holländische Interferenz oder ein Typo? :)

Bots wurde bei uns beim Bund immer geduldelt, hat dadurch nicht nur gute Assoziation für mich...
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Alt 09.02.2004, 19:37   #5
Paisley
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Auch meine 80er werden zum überwiegenden Teil von Piktogrammas Erinnerungen dargestellt. Allerdings habe ich nie im Dritte-Welt-Laden gearbeitet. Es gab ein alternatives Café bei uns am Ort, da bin ich hin. Alter Fachwerkhauskeller voller alter Sofas, nicht ein neues Möbelstück im ganzen Raum. Haufenweise Pardon-Zeitschriften und andere Postillen. An der Theke (wo es Tee und Kaffee gab) ein Schild: "Bevor ihr unsere Tassen klaut, fragt uns doch, ob wir sie euch schenken!"
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Alt 10.02.2004, 09:04   #6
Piktogramma
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@Paisley: *lach* Genau solche Schilder, die müßte ooch mal eena sammeln. Genialo!

Die spiegeln so richtig das Flair dieser Zeit. Genau wie in unsere "Szene-Kneipe" (schon das Wort ist so Scheiße!), wo dann in Abständen das Schild hing:

ABSOLUTER DECKELSTOP!

Übrigens ist es heute total nicht pc oder voll un-pc "Dritte Welt Laden" zu sagen, es heißt jetzt "Eine Welt Laden", aber noch immer gibt es das Umweltschutzpapier, allerdings nicht mehr mit Friedenstauben und Kaffee aus Nicaragua. UNd es riecht dort noch genauso wie früher.
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Alt 10.02.2004, 15:19   #7
Paisley
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Stimmt, Piktogramma, "Dritte-Welt-Laden" ist politisch unkorrekt!...

Umweltschutzpapier sehe ich allerdings ganz allgemein immer seltener. Außer im Eine-Welt-Laden, wo es auch noch zu haben ist. Aber in den 80ern und auch 90ern gab es auch viel mehr Schulhefte aus Umweltschutzpapier. wohl auch, weil's trendy war, denn diese (wie es damals auch abfällig hieß) "Körnerfresser"-Welle war ja auch dann breitgetreten. Heute ist Hochglanz und Markenbewußtsein angesagt, kein Umweltschutzpapier mehr.

Gott, und diese Motive, ja: Friedenstauben, Regenbogen, harmonische Landschaften, lustige Trolle und drollige Käferchen...
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Alt 10.02.2004, 16:30   #8
Piktogramma
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Meine Favorits waren immer diese kleinen frechen Hexen auf dem Besen: "Auf die Dauer hilft nur Power!", ich weiß aber gar nicht, ob es die auch als Briefpapier gab. Hab ich so im Kopp.

Ansonsten gab es auch noch Briefpapier mit der Aufschift "Solidarität mit....." (und dann irgendwas), tierisch in, sag ich dir.

Ich finde gerade die Eine/Dritte/welche auch immer-Welt-Läden haben sich echt kaum verändert. Neulich war ich noch mal in einem. Derselbe Geruch, ich wurde noch gedutzt (mit 37!)- schön, nur Tee wurden einem keiner mehr angeboten. Damals bei uns ein muß.
"Du, möchtest du vielleicht einen Tee?" (aus Tansania mit Bienenhonig aus dem mex. Hochland) *megagrins*

ich würde sagen, das ist auch 80er, jeden Satz mit "Du" zu beginnen, besonders den WG-Killer-Satz: "Du, darüber müssen wir echt mal reden...."
(Stellt doch mal einer die Haferkekse auf den Tisch)
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Alt 10.02.2004, 16:32   #9
Zazie
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Umweltschutzpapier, so wie es das damals gab, kann man nicht in den Computerdrucker stecken. Ich meine, man kann schon, aber es kommt nichts Gescheites dabei raus. Deshalb gibt es das wohl nicht mehr so häufig. Wie das mit Schulheften aussieht, weiß ich nicht. Überhaupt schreibt man ja kaum noch Briefe und wenn, dann meistens nicht mit Hand, da ist der Markt für dieses Papier einfach sehr viel kleiner geworden. Aber schön war es, das Papier! Ich liebte es sehr, hatte viele verschiedene Motive und habe selber oft Briefe bekommen, die darauf geschrieben waren. Die habe ich natürlich aufgehoben, es sind herrliche Zeitzeugen.

Piktogramma, ich war Anfang der 80-er, so ca. bis Mitte 1983, auch eine Alternative - allerdings nur ein Fake. Ich sah so aus, war so angezogen, aber ich war keine engagierte Friedensbewegte und Demogängerin. Nato-Doppelbeschluss und Mittelstreckenraketen fand ich zwar auch bedrohlich, aber den Fun konnten sie mir nicht rauben. Dritte-Welt-Läden sah ich nicht so oft von innen, dann schon eher Indienläden und der Tunesische Basar, ein Geschäft, das es heute noch in Berlin gibt und das noch ganz genauso aussieht wie damals. Ich war vollkommen unpolitisch, Politik ging mir am Arm vorbei, interessierte mich nicht.

BAP und Bots hörte ich nur sehr begrenzt. Ich hatte einige Lieder von ihnen auf Cassette "Das weiche Wasser", "Die Augen nach rechts", "Montagmorgen" und noch ein paar andere. Immer wenn ich an Bots denke, muss ich auch an meinen Großvater denken. Ich war 17, eines Tages Mitte März saß ich in meinem Zimmer und hörte die Bots-Cassette. Plötzlich kam meine Mutter rein und meinte, meine Oma hätte gerade angerufen, mein Opa sei soeben in seinem Sessel für immer eingeschlafen. Ich ging einen Moment ins Wohnzimmer zu meinen Eltern und hielt sozusagen eine Trauerminute ab. Dann ging ich zurück in mein Zimmer, machte die Bots-Cassette wieder an und da weiter, wo ich aufgehört habe. Ich wundere mich bis heute, wie mich der Tod meines Opas damals so wenig berührt hat. Ich hatte nicht das innige Verhältnis zu ihm, das ich zu meiner Oma, seiner Frau hatte, aber dennoch war mein Opa ein einwandfrei guter Mensch und Großvater gewesen. Meine Eltern müssen fassungslos über meine Pietätlosigkeit gewesen sein, als kurz darauf wieder Bots aus meinem Zimmer zu hören waren. "Das weiche Wasser" war es, jenes Lied, was ich für immer mit dem Tod meines Opas in Verbindung bringen werde. Noch entrüsteter waren sie, als ich tatsächlich einige Tage später - ich weiß gar nicht, ob mein Opa da überhaupt schon beerdigt war - die Stirn hatte, auf Deibel komm raus auf eine Fete gehen zu wollen, da doch mein Freund da war (der mir die Bots-Cassette geschenkt hatte) und ich ihn unbedingt sehen wollte. Natürlich wurde mir diese Fete rigoros untersagt, worüber ich damals sauer war, ich aber heute nur noch den Kopf schütteln kann. Gott, war ich manchmal oberflächlich.

Wie sagte man unter Alternativen damals: Gut, dass wir drüber geredet haben.
Zazie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.02.2004, 19:38   #10
Spleen
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Spleen ist zur Zeit noch ein unbeschriebenes Blatt
War das wirklich "wenig berührt", Zaz? Viele reagieren so, weil sie sich dadurch vormachen wollem, dass alles möglichst normal weitergeht. Ich reagiere bei Trauer sehr ähnlich. Könnte mir nie vorstellen, deshalb z.B. wochenlang nur ernste Musik zu hören oder so.
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